Barackenlager  Achterstraße

Kinderhort für Lager Riensberger Straße?  

Die Behandlung der Frage, ob im Barackenlager Riensberger Straße eine weitere Baracke aufgestellt werden solle, die einen Kinderhort aufnehmen soll, ergab im Beirat des Ortsamts Horn-Lehe eine längere Aussprache. Zwei Fragen waren es, die im Wesentlichen die Diskussion leiteten.

Einmal wurde die dringende Notwendigkeit anerkannt, für die in diesem Lager wohnenden Kinder eine Betreuung seitens des Wohlfahrts- oder des Jugendamts zu übernehmen. Die überaus unzuträglichen Wohnverhältnisse dort bergen viele Gefahren für die Kinder, die in den meisten Fällen auch nicht genügend von den Eltern beaufsichtigt werden. Hier könnte ein straff geführter Kinderhort einen Wandel schaffen. Auch aus pädagogischen Gründen wäre seine Einrichtung zu begrüßen.

Die andere Frage war die nach der Räumung dieses Lagers. Soll durch einen Kinderhort das Lager etwa noch mehr verankert werden? In mehreren Zuschriften an den Bürgerverein Horn-Lehe wird die Forderung nach einer möglichst schnellen Beseitigung dieses Lagers immer wieder gestellt. „Noch 15 Jahre nach Kriegsende Menschen in einem solchen Lager zusammenzupferchen, ist einfach unmenschlich. Ist uns im Zeichen des Wirtschaftswunders das Geld zu schade, dieses Elendslager abzureißen und die unglücklichen Lagerinsassen in menschenwürdigen Wohnungen unterzubringen?"

Es ist verständlich, dass das Gegeneinander beider Fragen nicht durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss abgetan werden kann. So hat der Beirat diese Frage einstweilen vertagt, um weitere Verhandlungspunkte zu sammeln.

Als Bürgerverein möchten wir noch einen Gedanken zu diesem Thema beitragen. Wir halten die Einrichtung eines Kinderhortes, dessen Aufgabe es ist, Kinder zu betreuen, soweit dies in den Familien nicht gewährleistet ist, für begrüßenswert. Doch erscheint es bedenklich, einen solchen Kinderhort mitten in diesem Lager aufzustellen. Man sollte versuchen, außerhalb einen geeigneten Platz dafür zu finden, und wir schlagen dafür vor, auf dem z. Z. verwilderten Vorgelände der Pumpstation Horn eine Ecke einzuräumen und hier den Kinderhort zu errichten. Oder sollte dieser Plan an Kompetenzstreitigkeiten bremischer Behörden scheitern? Hier wäre der Hort außerhalb des Lagermilieus und doch so nahe dabei, dass die Kinder ungefährdet dorthin kommen können. Was die zweite Frage angeht, so ist der Bürgerverein seit einigen Jahren bemüht, die Räumung des Lagers voranzutreiben. Das kann einmal durch eine Beschleunigung des Straßenbaus (Leher Heerstraße) erfolgen, damit die H.-H.-Meier-Allee nach Horn durchgeführt werden kann. Da diese Straße das jetzige Lagergelände schneidet, wird es dann ohnehin geräumt werden müssen. Es sind auch schon Vorschläge unterbreitet worden, einen stufenweisen Abbau des Lagers vorzunehmen. Auf jeden Fall müsste von Seiten der in Frage kommenden Behörden sofort ein „Einweisungsstopp" erfolgen, d. h. dass etwa freiwerdende Baracken nicht wieder belegt, sondern abgerissen werden.                         H. Whn.
"Unser Horn" Okt. 1960

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Stufenweiser Abbau des Lagers Riensberg

Es darf mit Gewissheit damit gerechnet werden, dass das Lager Riensberg in den nächsten 4 bis 5 Jahren stufenweise abgebaut wird.

Wenn diese Frage erst heute akut wird, so darf dabei nicht vergessen werden, dass die durch den letzten Krieg zu 60 Prozent zerstörte Stadt Bremen vor Aufgaben stand, die nicht in wenigen Jahren zu lösen waren. Galt es doch zunächst, das Leben in unserer Stadt wieder zu normalisieren und für alle Bürger gesicherte Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu gehört in erster Linie der Ausbau der Häfen und Werften so­wie der Industrie. Weiter galt es, Wohnungen und Schulen zu bauen und das Straßennetz dem wachsenden Verkehr anzupassen.

Die Unterbringung der Obdachlosen war be­reits seit der Währungsreform ein Problem der Großstädte geworden. Die Schaffung von Ob­dachlosen-Unterkünften musste naturgemäß hinter den vordringlichsten Aufgaben, wie oben bereits erwähnt, zurückstehen. In den letzten Jahren wurden in Bremen in verschiedenen Stadtteilen Schlichtbauten erstellt, die aber nicht für die Unterbringung der ortsansässigen Obdachlosen ausreichten. Aus diesem Grunde mussten Lösungen gefunden werden, die die Einrichtung von Behelfsunterkünften notwendig machten, wobei auch das bereits vorhandene Barackenlager Riensberger Straße in Anspruch genommen wurde. Schon seit geraumer Zeit werden von mir Verhandlungen mit den zustän­digen Behörden mit dem Ziel geführt, die Ba­racken an der Riensberger Straße entfernen zu lassen. Derartige Verhandlungen sind schwierig und langwierig und können nur mit Besonnen­heit zum Erfolg führen.

Kürzlich wurde die Frage aufgeworfen, ob es zweckmäßig und erforderlich sei, in dem Lager eine Kinderhort-Baracke aufzustellen. Der Bei­rat des Ortsamts Horn-Lehe hat in der Sitzung am 13. 9. 1960 bereits Bedenken gegen die Auf­stellung dieser Baracke erhoben. Diese Beden­ken habe ich zur Grundlage weiterer Verhand­lungen mit den zuständigen Behörden gemacht.

Ich halte es für meine Pflicht, bei dieser Ge­legenheit darauf hinzuweisen, dass der Bürger­verein Horn-Lehe sich ebenfalls seit längerer Zeit darum bemüht, eine Räumung des Lagers voranzutreiben. Wenn der Bürgerverein in der

Behandlung dieser Frage bisher zurückhaltend war, so geschah dieses nach Rücksprache mit mir aus ganz bestimmten Gründen, die ich hier im Interesse der Horner Bevölkerung nicht zum Ausdruck bringen kann. Zu gegebener Zeit werde ich darauf zurückkommen und bin sicher, dass jeder Horner Bürger Verständnis für diese Haltung haben wird. Der Vorschlag des Bürger­vereins, die Kinderhort-Baracke nicht im, son­dern außerhalb des Lagers aufzustellen, ist si­cherlich von der Überlegung ausgegangen, dass dadurch die Kinder von der Straße gezogen werden würden, und somit eine Entspannung zu den Anliegern der Riensberger Straße und Achterstraße eintreten könnte. Ähnliche Ge­danken waren in der Beiratssitzung ebenfalls laut geworden.

Diese Meinung kann ich allerdings nicht tei­len, da ich nach wie vor der Ansicht bin, dass dem zweifellos vorhandenen Übelstand nur da­durch wirksam abgeholfen werden kann, wenn die Bewohner des Lagers in schon vorhandene oder noch zu bauende Schlichtwohnungen ge­streut in allen Stadtteilen untergebracht wer­den. Der Beirat hat in seiner letzten Sitzung am 3. 11. 1960 einstimmig sich gegen die Auf­stellung der Kinderhort-Baracke inner- und außerhalb des Lagers ausgesprochen.

Die bisher geführten Verhandlungen lassen schon heute erkennen, dass das Lager Riensberg in den nächsten 4 bis 5 Jahren stufenweise ge­räumt wird. Diese von mir gemachten Ausfüh­rungen werden durch die von mir mit Herrn Senator Balcke geführten Gespräche und durch das bereits von der Deputation für das Bauwe­sen beschlossene Baracken-Räumprogramm be­kräftigt.

Adolf Könsen, Amtsvorsteher

 "Unser Horn" Nov. 1960

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Das heiße Eisen

Nach Veröffentlichung des Artikels über den geplanten Kinderhort für das Lager Riensberger Straße („Unser Horn", Ausgabe Oktober) sind zahlreiche Leserzuschriften eingegangen, die fast ohne Ausnahme energisch die schnellste Beseitigung des Elendslagers an der Riensberger Straße fordern. So berechtigt diese Forde­rungen natürlich sind, so fehlte in allen Zu­schriften auch nur der geringste Hinweis, wie das „Problem Lager" zu lösen wäre. Eine ein­zige Zuschrift nur befasst sich mit dem „Pro­blem Mensch".

Es gibt ein „Ortsamt Horn-Lehe" - es gibt einen „Horner Bürgerverein" - und . . . man höre und staune - einen „Interessenverband zwecks Aufhebung des Riensberger Lagers"! Diese „Offiziellen" und „Inoffiziellen" liegen sich nun schon seit geraumer Zeit (insgeheim) in den Haaren - dass ein Menschen entwürdigendes Elendslager endlich beseitigt werden müsse! Ein löbliches Ansinnen . . .

Doch was ist inzwischen unternommen wor­den? Das Ortsamt als Behörde schweigt sich aus. Der Vorstand des Bürgervereins gab u. a. bekannt: „Der Bürgerverein hat diese Frage einstweilen vertagt, um weitere Verhandlungs­punkte zu sammeln"! Der „Interessenverband zwecks Aufhebung des Lagers" tut sich durch kollektiv-unterschriebene Eingaben hervor, in denen er energisch die Beseitigung der Baracken fordert. So besteht seit langem ein unver­antwortlicher circulus vitiosus, indem man ver­schweigt - vertagt - und protestiert.

Ist auch schon einmal darüber nachgedacht worden, dass in diesen Baracken „Menschen" wohnen - Mitbürger, deren Not einfach be­seitigt werden muss? Das Baracken-Pro­blem löst sich durch den geplanten Bau der H.-H.-Meier-Allee, früher oder später, von selbst. Doch wo bleiben die Menschen? In anderen Baracken? Außerhalb unserer bürger­lichen Verantwortung?

Es gibt ein Wohnungsamt - ein Wohlfahrts­amt - ein Jugendamt und staatlich ausgebil­dete Fürsorger. Außerdem amtieren in Horn drei Seelsorger. Dies berechtigt zu den Fragen: „Welche Vorsorge wurde diesbezüglich von den genannten Institutionen getroffen?" „Hat überhaupt schon jemals ein Angehöriger die­ser Ämter die Türschwellen der Baracken über­schritten?" „Was will man für diese Menschen tun - ist man in unserem Staat überhaupt guten Willens, unseren Mitbürgern eine men­schenwürdige Chance zu geben?"

Es hat schon einmal Lager gegeben - für die sich niemand verantwortlich fühlte!!! Für dieses Lager aber sind wir alle verantwortlich!

F. W. T., Leher Heerstr.  

Nun — der Einsender ist nicht gerade zimperlich. Es ist zu hoffen, dass erheblich zu scharf kritisiert wurde. Auf der anderen Seite jedoch muss ein solcher Eindruck entstehen, wenn Verwaltung, Sozialbehörde, Bürgerverein und Kir­chen es für richtig halten, einen in jeder Be­ziehung bestehenden Missstand jahrelang „tot­zuschweigen". Nur dadurch konnte in der Bevölkerung der Eindruck entstehen, dass es „besondere Gründe" gibt, die das Verhalten der genannten Stellen rechtfertigen. Herr Könsen hat eine baldige Erklärung für dieses „Totschweigen" angekündigt. Sinnlos ist ein solches Verhalten aber in dem Augenblick, wenn in der Tages presse in großer Aufmachung Artikel über „unser Lager" erscheinen. Jetzt - wo für den Bau einer (umstrittenen) Stadthalle Millio­nenbeträge zur Verfügung gestellt werden, müsste es möglich sein, zumindest die finanzielle Seite des Problems „Lager Riensberger Straße" zu lösen.          

Detlev Riebau "Unser Horn" Nov. 1960

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